Die Jugendherberge Bayreuth ist ein besonderer Ort. Wegen ihrer tollen Lage und ihrer besonderen Architektur – und sie ist Integrationsjugendherberge einmalig in Bayern.
Integrativ, innovativ, international sind die drei Attribute, die das Konzept auf den Punkt bringen.
Hierhin hatte TEAM Sport-Bayern angehende Demokratietrainer:innen und ‑berater:innen eingeladen zum Ausbildungsmodul „Extremismus und Diskriminierung“. Zusätzlich zum eigentlichen Ausbildungsprogramm stellten Eva Straub und Valentina Weigt, die das TSB-Projekt „SPORTVERBÄNDE – STARK FÜR DEMOKRATISCHE WERTE“ leiten, in Bayreuth die Kampagne Nicht-Wegschieben vor, bei der es um Aufklärung zum Thema „Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ geht.
Die Initiative ist ein Angebot vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) und richtet sich an alle Gesellschaftsbereiche – auch an den Sport. „TEAM Sport-Bayern ist es ein wichtiges Anliegen, sich für Aufklärung einzusetzen und sexualisierter Gewalt mit gezielten Präventionsmaßnahmen entgegenzuwirken“, erklärt die stellvertretende TSB-Vorsitzende Eva Straub. „Es geht um grundlegende, nichtverhandelbare Werte im Sport, die kein Wegschauen bei sexualisierter Gewalt erlauben.“ Hier liefere die Kampagne „Nicht wegschieben“ viele Informationen und ganz konkrete Hilfestellungen für Betroffene und ihr Umfeld.
Wissen was zu tun ist
„Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche kann es überall geben — auch in deinem Umfeld“, so der Ausgangspunkt der Kampagne. „Damit du Kinder und Jugendliche schützen kannst, musst du wissen, was im Fall von Belästigungen, Übergriffen oder Gewalt zu tun ist – auch wenn es dir schwerfällt, dir vorzustellen, dass es passiert.“ Vor allem Kinder könnten sich nicht alleine schützen. Aber alle Erwachsenen könnten lernen, was zu tun ist – und das nicht erst, wenn etwas passiert ist.
Dass der Umgang mit sexualisierter in unserer Gesellschaft schwierig und oft widersprüchlich ist, zeigt eine Forsa-Umfrage. Danach halten es 90 Prozent der Bevölkerung für wahrscheinlich, dass sexuelle Gewalt vor allem in Familien stattfindet. Gleichzeitig halten es 85 Prozent für unwahrscheinlich oder ausgeschlossen, dass sexuelle Gewalt in ihrer eigenen Familie passiert oder passieren kann.
Um die die offenkundig gestörte Wahrnehmung zu schärfen und um Betroffene zu schützen und ihnen wirksame Unterstützung zukommen zu lassen, empfiehlt die Kampagne drei Schritte:
- Hinsehen, zuhören nachfragen
- Beraten lassen
- Handeln
Die Botschaft dahinter lautet: Jede:r kann etwas tun, um Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt zu schützen. Ob als Mutter, Vater, Tante, Onkel, Freund:in. „Du kannst in deiner Familie, in deiner Nachbarschaft, in deinem Verein, an deiner Arbeitsstelle, in der Schule der Kinder, kurz: in deiner Umgebung etwas verändern.“
Täterinnen und Täter im Sport keinen Raum geben
Wie das geht, zeigt die Kampagne auch mit einem Beispiel aus dem Sport, der für viele Menschen ein wichtiger Teil ihres Lebens ist und wo es aber auch zu sexualisierter Gewalt kommen kann. So berichtet die Springreiterin Lisa-Marie Kreutz vom Reitsport, wo sie selbst sexualisierte Gewalt erleben musste. Der Reitsport, so die Erfahrung der 24-Jährigen, lasse Täterinnen und Tätern viel Raum. „Wer Kinder und Jugendliche trainiert, arbeitet oft sehr eng mit ihnen zusammen. Sie sehen sich fast jeden Tag im Stall. Dazu kommt, dass das Pferd gerade bei jüngeren Reiterinnen und Reitern ein Druckmittel sein kann. Wenn dir dann jemand sagt: ‚Du darfst mein Pferd nicht mehr reiten. Du darfst nicht mehr mit ihm zu Turnieren fahren. Ich sorge dafür, dass es verkauft wird‘, dann ist das gerade in jungen Jahren schon sehr hart und kann Kinder zum Schweigen bringen. Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas dagegen tun muss.“
„Du bist nicht allein“
Lisa-Marie Kreutz fragte sich: „Wie schlimm ist es bitte, dass wir Reiterinnen und Reiter von der Gesellschaft so krass sexualisiert werden?“ und startete mit dieser Empörung auf Instagram eine eigene Kampagne. Daraufhin hätten sich viele Menschen bei ihr gemeldet und ihr ihre eigenen Geschichten erzählt. Lisa-Marie Kreutz habe daraufhin den Hashtag #UYVEQUESTRIAN – USE YOUR VOICE! entworfen und die Leute auf ihrem Insta-Kanal gefragt, ob sie deren Geschichten anonym erzählen dürfe. „Einfach, um zu zeigen: Das ist kein Einzelfall. Können wir bitte darüber sprechen? Ich habe meine Stimme benutzt und möchte andere ermutigen, es auch zu tun.“
Die eigene Geschichte zu erzählen und zu verarbeiten, so die engagierte Reiterin, müsse nicht zwingend öffentlich passieren. „Aber mir haben die öffentlichen Reaktionen gezeigt: Ich bin nicht allein. Es gibt viele Leute auf der anderen Seite des Bildschirms, denen es auch so geht. Heute bin ich glücklich. Mein Leben geht weiter. Ich habe ein gutes Verhältnis zu meinem Körper und meiner Sexualität. Mit meiner Kampagne konnte ich anderen Menschen helfen. Das ist ein schönes Gefühl.“
Kultur des Hinsehens schaffen
Das Beispiel und der damit verbundene eindringliche Appell der jungen Frau, so Eva Straub, findet bei TEAM Sport-Bayern volle Unterstützung: „Die Gesellschaft kann Betroffene von sexualisierter Gewalt im Sport unterstützen, indem wir einfach gesamtgesellschaftlich eine Kultur des Hinsehens schaffen und einfach lieber einmal mehr nachfragen als zu wenig, wenn uns etwas komisch vorkommt.“
Das komplette Interview mit Lisa-Marie Kreutz findet ihr auf ihr auf dem Hilfeportal Sexueller Missbrauch.
Vertiefungen zum Thema und zu konkreten Lösungsansätzen im Sport vermittelt auch das TEAM Sport-Bayern-Ausbildungsmodul Gewaltprävention. Im Mittelpunkt stehen hier unterschiedliche Ausprägungen von Gewalt, die Ursachen und Entstehungen von Gewalt, geeignete Interventionsmöglichkeiten und Netzwerke. Einen besonderen Schwerpunkt bilden Zivilcourage und sexualisierte/interpersonelle Gewalt. Zur Handlungssicherheit und praktischen Umsetzung werden dabei auch Schutzkonzepte und Risikoanalyse in Verbänden und Vereinen beleuchtet.