Sexua­li­sier­te Gewalt stellt ein gra­vie­ren­des gesell­schaft­li­ches Pro­blem dar. Laut Bun­des­kri­mi­nal­amt wur­den im Jahr 2022 in Deutsch­land mehr als 17.000 Kin­der und Jugend­li­che Opfer sexu­el­len Miss­brauchs, wobei die Dun­kel­zif­fer weit­aus höher liegt. Zwei Drit­tel aller Täter*innen kom­men aus dem nahen Umfeld, d.h. der engs­ten Fami­lie und der nahen sozia­len Umge­bung (z.B. Sport­ver­ein, Kir­chen­ge­mein­de, Musik­ver­ein etc.). Das heißt: Sport­ver­ei­ne kön­nen als Teil des sozia­len Umfelds Orte sein, an denen sexua­li­sier­te Gewalt statt­fin­det. Im Rah­men der Stu­die „Safe Sport“ wur­de fest­ge­stellt, dass in Ver­ei­nen mit einem Schutz­kon­zept das Risi­ko für alle For­men sexua­li­sier­ter Gewalt deut­lich gerin­ger ist. Die Ein­füh­rung eines sol­chen Schutz­kon­zep­tes im Schleiß­hei­mer Ruder­club zielt dar­auf ab, Kin­der und Jugend­li­che im Ver­ein vor Über­grif­fen zu schüt­zen und eine kla­re Hal­tung gegen sexua­li­sier­te Gewalt nach außen zu kommunizieren.

Gefähr­dungs­po­ten­zia­le im Sport

Sport­ver­ei­ne sind Orte, an denen auf­grund der kör­per­li­chen Nähe zwi­schen Trainer/innen und Sportler/innen sowie der gemein­sa­men Nut­zung von Umklei­den und Duschen poten­zi­el­le Gefähr­dungs­ri­si­ken bestehen. Die Macht­ver­hält­nis­se zwi­schen Trainer/innen und jun­gen Ath­le­ten sowie Ein­zel­trai­nings und Über­nach­tun­gen bei Wett­kämp­fen und Regat­ten kön­nen Situa­tio­nen schaf­fen, in denen Über­grif­fe statt­fin­den könn­ten. Die­se Gefähr­dungs­po­ten­zia­le wur­den im Schleiß­hei­mer Ruder­club gezielt ana­ly­siert, um prä­ven­ti­ve Maß­nah­men zu ergreifen.

Ein­füh­rung eines Schutzkonzeptes

Vor­aus­set­zung für die Ent­wick­lung und Imple­men­tie­rung des Schutz­kon­zep­tes war die Unter­stüt­zung durch den Club-Vor­stand unter ande­rem durch die Benen­nung eines Beauf­trag­ten für die Prä­ven­ti­on und Inter­ven­ti­on bei sexua­li­sier­ter Gewalt. „Die­ser ist für die Ein­füh­rung des Schutz­kon­zep­tes im Ver­ein zustän­dig und ers­ter Ansprech­part­ner im Ver­dachts­mo­ment“, so Vorstandsbeschluss.

Das Kon­zept ent­hält prä­ven­ti­ve Maß­nah­men, die das Risi­ko von Über­grif­fen redu­zie­ren, und kla­re Ver­hal­tens­re­geln, die von Trai­nern und Ver­eins­mit­glie­dern ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen. Es geht jedoch nicht nur um den Schutz der Ath­le­ten, son­dern auch um den Schutz der Trai­ner vor fal­schen Verdächtigungen.

Ver­hal­tens­leit­fa­den für Trai­ner und Trainerinnen

Ein zen­tra­les Ele­ment des Schutz­kon­zep­tes ist ein Ver­hal­tens­leit­fa­den für Trai­ne­rin­nen und Trai­ner, der kla­re Hand­lungs­an­wei­sun­gen für den Umgang mit jun­gen Ath­le­ten ent­hält. Dazu gehören:

  • Kein gemein­sa­mes Duschen oder Umklei­den mit den Sportlern.
  • Vor dem Betre­ten des Umklei­de­raums anklopfen.
  • Nach dem Ren­nen am Steg kör­per­li­che Zuwen­dung (Umar­mung, Küss­chen) nur mit Ein­ver­ständ­nis der Sportler/innen
  • Kör­per­kon­takt bei Hil­fe­stel­lun­gen und Hal­tungs­kor­rek­tu­ren nur nach vor­he­ri­ger Zustim­mung der Athleten.
  • Kei­ne Vier-Augen-Gesprä­che oder Ein­zel­trai­ning im Ergo­raum, in der Trai­nings­hal­le und Ruder­was­ser­kas­ten ohne Aufsicht.
  • Beim Über­nach­ten (Trai­nings­la­ger, Regat­ten, Wan­der­fahr­ten) schläft der/die Trainer*in nicht im Zelt der Jugend­li­chen oder im sel­ben Schlafraum
  • Kei­ne pri­va­ten Geschen­ke an ein­zel­ne Jugendliche.
  • Kei­ne Auto­fahr­ten zu zweit.
  • Wird von einer die­ser Schutz­ver­ein­ba­run­gen aus wohl­über­leg­ten Grün­den abge­wi­chen, ist dies mit min­des­tens einem/einer wei­te­ren Trainer/in abzusprechen.

Die­ser Ver­hal­tens­leit­fa­den wird von allen Trai­nern und Trai­ne­rin­nen unter­zeich­net, eben­so wie der Ehren­ko­dex des Deut­schen Olym­pi­schen Sport­bun­des (DOSB).

Infor­ma­ti­ons- und Fortbildungsveranstaltungen

Ein zen­tra­ler Bestand­teil des Pra­xis­pro­jek­tes war die Schu­lung der Jugendtrainer/innen im Ver­ein. Bei einer Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tung wur­den die Trai­ner über Kri­mi­nal­sta­tis­ti­ken, Täter­pro­fi­le und Täter­stra­te­gien auf­ge­klärt. Anhand des Schu­lungs­vi­de­os „Groo­ming – Vor­ge­hen der Täter/innen bei sexua­li­sier­ter Gewalt“ des DOSB wur­den Hand­lungs­emp­feh­lun­gen erar­bei­tet, wie prä­ven­ti­ve Maß­nah­men im Trai­nings­all­tag umge­setzt wer­den können.

Auch für die Jugend­li­chen im Ver­ein wur­den Work­shops ange­bo­ten, um sie für das The­ma zu sen­si­bi­li­sie­ren. Unter der Lei­tung von Kat­rin Han­ses, Frau­en­re­fe­ren­tin vom Baye­ri­schen Rin­ger­ver­band und Exper­tin für Prä­ven­ti­ons­ar­beit, lern­ten die jun­gen Ruder/innen spie­le­risch, wie sie per­sön­li­che Gren­zen erken­nen und ver­tei­di­gen kön­nen. Übun­gen zur Kör­per­spra­che und zu Situa­tio­nen, in denen das „Nein-Sagen“ wich­tig ist, hal­fen den Jugend­li­chen, ein Gespür für ihre eige­nen Bedürf­nis­se und Frei­räu­me zu entwickeln.

Rele­vanz für den Sport und die Gesellschaft

Im Pro­jekt­ver­lauf wur­de allen Teil­neh­men­den deut­lich, dass einen akti­ve Aus­ein­an­der­set­zung mit sexua­li­sier­ter Gewalt, Gewalt­prä­ven­ti­on und Selbst­be­haup­tung im Sport von gro­ßer gesell­schaft­li­cher Bedeu­tung ist. Beson­ders für jun­ge Sport­le­rin­nen und Sport­ler ist es ent­schei­dend, in einem siche­ren Umfeld trai­nie­ren zu kön­nen. Durch Prä­ven­ti­ons­kon­zep­te wie das im Schleiß­hei­mer Ruder­club wird nicht nur ein Schutz­raum für Kin­der und Jugend­li­che geschaf­fen, son­dern auch das Bewusst­sein gestärkt, dass Respekt und der Schutz vor Über­grif­fen im Sport unver­zicht­bar sind.

Kla­res Zei­chen gegen sexua­li­sier­te Gewalt

Mit der Ein­füh­rung des Schutz­kon­zep­tes setzt der Schleiß­hei­mer Ruder­club ein kla­res Zei­chen gegen sexua­li­sier­te Gewalt. Das Pra­xis­pro­jekt von Andre­as Nie­zel zeigt, wie Sport­ver­ei­ne Ver­ant­wor­tung über­neh­men kön­nen, um Kin­der und Jugend­li­che zu schüt­zen. Eine wesent­li­che Erkennt­nis: Die Sen­si­bi­li­sie­rung und Auf­klä­rung von Trainer/innen und Sportler/innen stärkt nicht nur den Zusam­men­halt im Ver­ein, son­dern trägt auch zur gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Prä­ven­ti­on bei. Um die Nach­hal­tig­keit die­ses Enga­ge­ments sicher­zu­stel­len, plant der Schleiß­hei­mer Ruder­club, regel­mä­ßig Prä­ven­ti­ons­work­shops anzu­bie­ten und das Schutz­kon­zept weiterzuentwickeln.